Die Seveso-Richtlinie in ihrer 2 ten Revision (SEVESO) fordert in Artikel 12 von
den Mitgliedstaaten, dass ihre Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung
langfristig die Einhaltung eines angemessenen Abstandes gewährleisten. Dabei wird
ihnen jedoch die Konkretisierung dieser Politiken in eigener Verantwortung überlassen.
Im Detail regelt SEVESO:
Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass in ihren Politiken
- der Flächenausweisung oder Flächennutzung und/oder
- anderen einschlägigen Politiken
das Ziel, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen, Berücksichtigung
findet.
Sie überwachen
- die Ansiedlung neuer Betriebe,
- Änderungen bestehender Betriebe,
- neue Entwicklungen in der Nachbarschaft bestehender Betriebe
Sie sorgen dafür, dass zwischen den
- unter SEVESO fallenden Betrieben und
- schutzbedürftigen Gebieten (Wohngebieten, öffentlich genutzten Gebäuden und Gebieten,
Erholungsgebieten und ,soweit möglich, Hauptverkehrswegen
langfristig ein angemessener Abstand gewahrt bleibt.
Die Motivation hinter den Regelungen von SEVESO Artikel 12 ist, dass sich die Konsequenzen
eines eventuellen, schweren Unfalls und damit das Risiko insgesamt erhöhen können,
wenn schutzbedürftige Gebiete und der Betriebsbereich näher zusammenrücken. Dieses
Risiko soll nach Ansicht der Gesetzgeber aber langfristig verringert werden.
SEVESO Artikel 12 beruht auf dem Gedanken, Störfallrisiken bereits mit den Mitteln
der Raum- bzw. Flächenplanung zu verringern und damit Vorsorge gegen Störfälle zu
treffen und mögliche Auswirkungen zu begrenzen.
Bei bestehenden Bebauungssituationen sind zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um
eine Zunahme der Gefährdung der Nachbarschaft zu vermeiden. Dies gilt auch für Betriebsbereiche,
die neu unter die Regelungen von SEVESO fallen.
Ziel der Vorschrift ist also, langfristig zu einer Entzerrung von Betrieben und schutzbedürftigen
Gebieten beizutragen.
SEVESO Artikel 12 stellt klar, dass eine solche Trennung nicht durch technische Maßnahmen
kompensiert werden kann.
Es ist zu unterscheiden zwischen:
- Achtungsabständen bei der Neuplanung von Flächen, auf denen Betriebsbereiche errichtet
werden können, ohne dass deren spätere Ausgestaltung schon bekannt ist („Planung
auf der grünen Wiese“),
- Angemessenen Abständen bei Planungen in vorhandenen Betriebsbereichen oder in deren
Umfeld.
Achtungsabstände wurden von der Deutschen Störfallkommission (SFK) und dem Technischen
Ausschuss für Anlagensicherheit (TAA) und später von der Deutschen Kommission für
Anlagensicherheit (KAS) in den Leitfäden SFK/TAA-GS 1 bzw. KAS 18 bereits vor einigen
Jahren beschrieben. Heute gilt noch der Leitfaden KAS 18 in der 2ten überarbeiteten
Fassung von 11/2010. Auch heute gelten für Achtungsabstände weiter die ursprünglichen
Festlegungen /1/ :
Hinweis:
Bitte entnehmen Sie die aktuelle Version der Abbildung und die entsprechenden Daten
dem KAS 18 Anhang 1 „Abstandsempfehlungen für die Bauleitplanung ohne Detailkenntnisse
mit Erläuterungen-Achtungsabstände“ in der jeweils gültigen Fassung
www.kas-bmu.de/publikationen/KAS 18_pub.htm
Als Rahmenbedingungen für die Achtungsabstände wurden von der KAS folgende Vorgaben
gemacht:
- Keine Berücksichtigung von begrenzenden Maßnahmen, die einen geringeren Abstand zuließen
- Spontanversagen von Behältern oder Abriss von großen Rohrleitungen nicht unterstellt,
da sehr unwahrscheinlich
- Druck p des Stoffes (Dampfdruck bei 20 grd C, min 2 bar)
- Betrachtete Szenarien - Deterministische Vorgehensweise:
- Brände,
- Gaswolkenexplosion - kein Trümmerflug
- Freisetzung von toxischen Stoffen
- Ausbreitungsmodell: VDI-Richtlinie 3783
- Leckagefläche: 490 mm2, entspricht etwa Querschnitt DN 25,
Phosgen DN 15 - Freisetzungsbedingungen:
- Gasaustritt: 10 min
- Lachenbildung: 30 min
- Planung in ebenem Gelände und mittlere Wetterlage
Als Beurteilungswerte wurden berücksichtigt:
Handelt es sich nicht um eine Planung „auf der grünen Wiese“, sondern um eine Planung mit bereits vorhandenen Bebauungen, so muss eine Einzelfallbetrachtung durchgeführt werden und sogenannte „Angemessene Abstände“ bestimmt werden.
Angemessene Abstände werden dann nach KAS 18 in einer konkreten Einzelfallbetrachtung durch eine systematische Gefahrenanalyse mit folgenden Randbedingungen bestimmt:
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Ein Behälterbersten oder der Abriss sehr großer Rohrleitungen wird nicht angenommen
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Annahme von Leckage aus vorhandenen Rohrleitungen, Behältern, Sicherheitseinrichtungen und Berechnung der Leckmassenströmen usw. unter den Bedingungen
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Stoffdaten entsprechend den tatsächlich vorhandenen Prozessbedingungen
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Quellterm Leckfläche von 490 mm2 (DIN 25), Ausflussziffer μ=0,62, p und T entsprechend aktuellen Prozessdaten, Leckagedauer 10 Min, Lache 5 mm auf Beton
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Bei der konkreten Einzelfallbetrachtung der tatsächlich vorhandenen Technik/Sicherheitstechnik, kann diese berücksichtigt werden und die potentielle Leckfläche auch kleiner angenommen werden, aber minimale Grundannahme einer Leckagefläche von 80 mm² (DIN 10)
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Auswirkungsbegrenzende Maßnahmen sollen berücksichtigt werden
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Es soll die statistisch häufigste Wetterlage (mittlere Wetterlage) angenommen werden Wind 3 m/s, Aussentemperatur 20 grd C, 1 kW/m², 30 Minuten
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Beurteilungswerte ERPG 2, 1,6 kW/m², 0,1 bar Überdruck
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Bei der Lagerung von Flaschen und Gebinden wird die Freisetzung des Inhaltes eines Fasses/Flasche angenommen
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ABER:
Keine Berücksichtigung der konkreten technischen Eigenschaften/Qualität der im Einzelfall betrachteten Anlage, und damit können aus einer KAS 18 Begutachtung in der Regel keine Rückschlüsse auf die Qualität der Anlage und ihrer Übereinstimmung mit dem Stand der Technik gefolgert werden, bzw. die Einhaltung des Standes der Technik muss vorausgesetzt werden.
Stand 10.09.2015 JH
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